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Nicht lange nachher, stand ich in der Küche am offenen Fenster, und sah einen Obristen vorübergehen, der mehrere Leute auf der Straße fragte: Ob sie ihm nicht ein gutes Quartier in der Nähe des Kremmels anweisen könnten? Er ward aber von niemanden verstanden, obgleich er wechselsweise, bald französisch, bald deutsch fragte. Schon war er vorüber, als mir einfiel, daß sich das Haus an der Schmiedebrücke dazu eignen würde, welches ich bis jetzt bewohnet hatte, welches dem reichen Demidow, in Petersburg gehörete, und eben so geräumig, als gut meubliret war. Sogleich eilte ich ihm nach, holete ihn noch in derselben Straße ein, und erbot mich, ihm ein Quartier nachweisen zu können, wie er es wünschte. Er dankte mir, und wir gingen mit einander der Schmiedebrücke zu. Da aber der Weg dahin sich in die Länge zog, verlor er die Geduld, wollte mich mehreremale verlassen, indem ich ihn nach seiner Meynung immer weiter vom Kreml abführte, in dessen Nähe er wohnen wollte. Es kostete mich Mühe ihn begreiflich zu machen, daß diese vermeintliche Entfernung nur eine Folge, von den Krümmungen der Straßen herrührete, aber dennoch das Haus welches ich ihm zeigen würde, von der Hinterseite, durch eine bequeme Pforte, ganz nahe zum Kreml führete. Noch auf der Schmiedebrücke wollte er zurückkehren, wovon ich ihn nur dadurch abzuhalten vermochte, daß ich eine solche Versicherung, wie ich sie ihm mehreremale gegeben hatte, nicht wagen würde, wenn ich meiner Sache nicht gewiß wäre, da er sich ja auf den ersten Blick selbst überzeugen könnte, ob ich ihn irre geführt habe? Ich fand bey unserer Ankunft auf der Schmiedebrücke, alles Menschenleer, aber die Häuser unversehrt. Ich zeigte dem Obristen das Haus schon in der Ferne, welches ihm zwar dem äussern nach gefiel, aber dennoch nach seiner Meynung zu entfernt vom Kreml läge. Die Pforte des Dimidowschen Hauses, war nicht wie alle übrigen (an denen wir vorübergingen) verschlossen, sondern nur angelehnt, so daß wir in den Hof gehen konnten. Mein erster Blick fiel auf sieben Bauren, welche mit arme Sünder Mienen kniend auf den Boden lagen – unter denen ich mehrere Dwornicks erkannte – und umringt von vielen französischen Soldaten, von denen Einige ihre Gewehre im Anschlag hielten, sie zu erschießen. Sogleich bat ich den Obristen auf das Flehentlichste, der Sache Einhalt zu thun. Nun fragte er die Soldaten, warum sie diese Leute erschießen wollten? und erhielt zur Antwort: Sie wären im anstoßenden Hofe gewesen, und als einige aus Neugierde über die Mauer sahen, hätten diese Leute auf sie geschossen. Jetzt gab ihnen der Obrist recht, und befahl die Leute zu erschießen. Ich verdoppelte meine Bitten, so viel ich nur vermochte, und ersuchte den Obristen flehentlich, mir zu erlauben, daß auch ich die Leute befragen dürfte, warum sie so unsinnig gehandelt haben? Ganz treuherzig erzählten sie mir, daß Grigori Iwanitsch, der Oberuprawitel – den die Leute mehr wie Demidow fürchteten – ihnen die Bewachung des Hauses anbefohlen, und ihnen gesagt habe, sie möchten jeden, der hineindringen wollte, sogleich erschiessen, wozu er ihnen auch Flinten und Pulver gab. Aber nach dem Abzuge des Uprawitels, war das Erste was die Wächter thaten, daß sie die Vorrathskammer, und den Keller, welche reichlich gefüllt waren, erbrachen, hier fraßen und soffen sie drey Tage, und erst am vierten (Dienstage) kam einer von ihnen aus dem Keller in den Hof, grade im Augenblick als die Soldaten über des Nachbars Mauer sahen. Sogleich rief er seinen Cameraden zu, und wie sie herbey gekommen waren, legten sie ihre Gewehre auf die Fremden, ihnen unbekannten Gäste an, gaben Feuer, ohne jedoch jemanden zu beschädigen. Der Obrist lachte, dieses hielt ich für ein gutes Zeichen, meine Bitten zu erneuern, und endlich befahl er, die Leute auf die nächste Wachtstube zu bringen, damit sie ordentlich gerichtet werden könnten. Einen der ältesten Dwornicke machte ich jedoch gleich frey, weil er die Gelegenheit des Hauses, und die Schlüssel kannte, die, wie ich recht vermuthet hatte, sich in des Uprawitels Wohnung befanden. Der befreyte Dwornick erhielt Befehl nach den Schlüsseln zu suchen, welches er freudig übernahm, und ich führte vor allen Dingen den Obristen durch alle drey Höfe hindurch, hinaus auf den damaligen Aepfelmarkt, ganz nahe an der Nikolsky Pforte, nun sah er den Kreml so nahe vor sich, als wäre er nur durch eine Mauer von ihm geschieden. Meine Wohnung, ein hölzerner Flügel, dicht am steinernen Hauptgebäude befindlich, war nicht verschlossen, und ich fand noch alles genau auf derselben Stelle, wie ich es Freytag in der Nacht verlassen hatte. Der Kutscher muß also nicht mehr zurückgekommen seyn, und die Trinklust der Wächter rettete meine zurückgelassenen Haabseligkeiten. Der Obrist trat mit mir zugleich in meine Wohnung, befahl mir die verschlossenen Laden zu öffnen, und ohne noch den Dwornick mit den Schlüsseln abzuwarten, wollte er davon eilen, seine Kameraden zu suchen. Ich machte ihm bemerklich, daß ich Vogelfrey allein zurückbleibe, und leicht seine Rückkunft nicht erleben könnte; nun foderte er Kreide, und schrieb an das Hofthor, welches sowohl zum steinernen, als hölzernen Hause führte, – „Wohnung für die Adjutanten des Marschalls Bertier [“]. – Nun sind Sie sicher, sagte er, es wird kein Mensch wagen ins Haus zu kommen, oder Ihnen etwas zu leide zu thun. In demselben Augenblick aber, ritt ein Piquet Gensdarmes vorbey. Der Obrist rief den Offizier ans Fenster, nannte seinen Namen, und bat ihn zwey Mann zur Sauve Garde, bey diesem Hause stehen zu lassen, bis er und seine Cameraden Besitz davon genommen haben würden. Sogleich befahl der Offizier zween Gensdarmes, hier Posto zu fassen. Sie führten ihre Pferde in den Hof, stiegen ab, und stellten sich an der Pforte hin. Ueber eine Weile, kam einer derselben ganz krumm gebückt, und sich den Unterleib haltend, zu mir ins Zimmer, und bat mich: Ob ich ihm nicht etwas zu essen geben könnte, indem er dem Hungertode nahe sey. Ich suchte im Hause umher, und fand nichts als eine Schüssel Fizebohnen, die fast unberühret am Freytage vom Mittagessen nachgeblieben war; aber in den vier Tagen, war beynahe Handhoch Schimmel darauf gewachsen, da sie bis dahin in einem verschlossenen, und dumpfichten Küchenschranke gestanden hatte. [„]Der Hunger ist der beste Koch“ behauptet ein Sprüchwort; welches sich, mindestens diesesmal vollkommen bewährete. Der hungrige Soldat verzehrete alles was in der Schüssel vorhanden war; versicherte gesättiget zu seyn, da ich in meiner Wohnung von bereyteten Speisen nichts mehr finden konnte, da unsere zurückgelassene Leute, während meiner Abwesenheit alles verzehret hatten. Zur ihrem Lob muß ich sagen daß dieses das Einzige war was sie sich zugeeignet hatten, bevor sie sich aus dem Hause entfernten, da sie, wenn sie gewollt hätten, alles was vorhanden war, und unverschlossen in den Zimmern lag, mitnehmen konnten. Genug, es fehlte nicht das Mindeste in meiner Wohnung, wie ich sie wieder betrat. Der Gensdarms war voll Dankbarkeit, da er einsah, daß er wohl noch länger ohne Speise hätte bleiben müssen, wenn ich nicht glücklicherweise, die verschimmelten Bohnen gefunden, u. ihm geben konnte. Ich wagte es daher, ihn zu bitten, einer Person sicheres Geleit zu geben, die ich mit der Kunde von meinem Leben, zu einem meiner besten Freunde, schicken wollte, falls er dieses thun könne. Er sagte „Mein Camerad und ich, sind Sauwe Garden, und keine Schildwachen. Schon die Schrift an der Pforte würde genügen, aber, wenn nur Einer von uns Beyden hier bleibt, so ist dieses für die Sicherheit des Hauses hinlänglich.[“] Ich schrieb sogleich an Herr Czermack, lud ihn ein, mit den seinigen unter Schutz des Commissairs, oder Begleitung des Gensdarmes zu mir zu kommen, da meine Wohnung mehr Bequemlichkeit, und Sicherheit als die seinige gewähre; und wir noch den Vortheil hätten vereint seyn zu können. Im Hofe fand ich eine alte Bäuerin, welche gegen ein gutes Trinkgeld bereit war, unter diesem sichern Geleite, das von mir geschriebene Billet Hr. Cz. zu überbringen; da der Gensdarmes allein, nie die Straße und die Wohnung des Hr. Cz. aufgefunden hätte; und beyde machten sich auf den Weg. Mittlerweile kam der von mir befreyete Dwornick und sagte mir „Er habe den Hauptschlüssel zum großen steinernen Hause nicht finden können,[“] aber einen Andern, der zur obern leer stehenden Etage, des hölzernen Hauses führete brachte er, und wir konnten nun in das große Haus kommen. Wir machten sogleich den Versuch, fanden alle Zimmer offen, und konnten von Innen auch den untern Eingang öffnen. Bald darauf trafen die Adjutanten des Marschalls Bertier, die Herren Obristen Flahau, Noail, Bongard, Couteil ein. Sie fanden das Haus, groß, bequem, gut meubliret, und dankten mir, als hätte ich sie aus Gnaden aufgenommen. Daß ein solches Haus nicht leer bleiben konnte, vermochte ich mir leicht zu denken. Es kam aber darauf an, wer es in Besitz nehmen würde; und da der Obrist Noaill, welchen ich dahin führte, gut Deutsch sprach, hoffte ich, bey ihm doch mehr Einfluß gewinnen zu können als bey einem Anderen, und also auch mehr zum Schutz als zum Verderben des Demidowschen Eigenthums zu thun vermögen. Ausser den Obristen Bongard, sprachen alle übrigen Adjutanten sehr gut Deutsch. Ich ward von allen Monsier le Maitre genannt; und ward wie ein Haase gehetzet, da der Eine bald dieses, ein Andrer jenes foderte. Am meisten machten mir die Bedienten zu schaffen, deren jeder von mir verlangte, ich sollte ihm anweisen, wo er das Ausgepackte hinstellen sollte. Wohl mehr als 100mal mußte ich die Treppen hinauf, und hinab, in den Stall, Wagenremisen, allen drey Höfen, Küchen, etcr. rennen. Ich hatte selbst den ganzen Tag über nichts gegessen, und fiel um halb zwey Uhr nach Mitternacht, ohnmächtig, und angekleidet wie ich war auf ein Sopha in meinem Zimmer hin; hatte aber meiner Berechnung nach nicht lange so gelegen, als ich meinen Namen rufen, und an der Hauspforte klopfen hörte. Ich erkannte sogleich Herrn Czermacks Stimme, eilte hinaus, fand ihn, seine Frau und Kinder, seine Magd, und Bedienten, und den edlen Commissair, der ihnen Pferde vor ihren Wiener Reisewagen geschaffet, und sie hieher geleitet hatte. Schon früher hatte ich von Herrn Czermack auf mein an ihn geschriebenes Billet die Antwort erhalten: Da ihn Gott so wunderbar mit den Seinigen, in seiner bisherigen Wohnung geschützet habe, und es des Herrn Fügung war, daß ihn Knauf nicht aufnahm; er es jetzt für seine Pflicht halte, ferner in dem Hause zu bleiben, wo er sich jetzt befände, und sich ganz dem alleinigen Schutze Gottes zu übergeben. Ich gestehe, daß dieser Glaubensmuth mir Freude machte, u. mir selbst nicht wenig zur Ermunterung gereichte. Doch der Mensch denkt, und Gott lenkt. Es war die Fügung des Herrn, daß die 2½ Tage die ich in Hr. Cz. Hause seyn mußte, das Mittel werden sollten, ihm und den Seinigen viele Monate einen sichern und sorgenlosen Aufenthalt in meinem Hause zu bereiten. Nachdem diese spät angekommenen, und eine aus sechs Personen bestehender russischen Familie – die ich in der vorigen Nacht von der Plünderung gerettet hatte wie ich früher erzählt habe – bey mir eintraten, und die Sachen aus den Wagen hereingetragen waren; ermunterte der gute Commissair Hr. Cz., sobald als möglich zurück zu eilen, um noch so viel als möglich aus der verlassenen Wohnung zu retten, der sich, das immer weiter sich verbreitende Feuer, – welches am Montag Nachmittage, in der Fischgasse ausbrach – schon so sehr genahet hatte, daß Czermacks ohne Gefahr nicht dort bleiben konnten. Wie hatte aber die Vorsorge Gottes, die Hülfe auf wunderbare Weise schon früher vorbereitet. Hätte der Commissair nicht Pferde geschaffet und die Fliehenden begleitet, so hätten sie den Wagen, und ihre besten Sachen zurücklassen müssen, und sie wären auf der Straße leicht nackt ausgeplündert, und mißhandelt worden. Auf alle Fälle aber in der nachfolgenden bösesten Zeit, dachlos, und ohne Nahrungsmittel bleiben müssen. Eben so würde es mir gegangen seyn, wenn ich den Obristen Noaille, nicht gesehen, um ihn ins Demidowsche Haus bringen zu können. Nun hatten wir Alle, durch Gottes Gnade, Wohnung und Speise, Sicherheit der Personen, und mindestens die nöthigsten Bedürfnisse. Bald kehrte Hr. Cz. und der Commissair unverrichteter Sache zurück. In der kurzen Zeit, wie die Fahrt nach meiner Wohnung dauerte, hatte das Feuer schon beynah das Ende der Gasse erreicht, in deren Mitte das Haus des Geistlichen stand, bey welchem Hr. Cz. sich eingemiethet hatte, welches damals noch unversehrt war. Dieses scheinet unglaublich, und ist doch wahr. Es ist kaum möglich, sich eine Vorstellung zu machen, mit welcher Schnelligkeit ein ganzer Stadttheil in vollen Flammen stand, wie ich nachher mich selbst zu überzeugen Gelegenheit hatte, wenn ich mich des Nachts, oben in dem Thürmchen befand, welches über meinem Hause war, von wo aus man weit umher sehen konnte. In stockfinstrer Nacht, lagen die Stadttheile umher, bis plötzlich auf viele Dächer zugleich, kleine Flämmchen sichtbar wurden, u. nun dauerte es nicht lange, so glich der ganze Stadtheil, wo diese feuerigen Vorbothen sich zeigten, einem ganzen Feuermeere; denn, die ganze Zeit als es in Moskau brannte, wehete ein heftiger Wind, als ob er sich zum Verderben der Stadt verschworen hätte, die aufsteigenden Flammen wurden von dem starken Winde horizontal niedergedrückt. Er fuhr über sie hin, und so glich das Ganze mehr einem feurigem Meer, als einem gewöhnlichen Brande von Häusern. An Retten, u. löschen, war nicht mehr zu denken, obwohl Napoleon beym Beginn des Brandes, den er für zufällig hielt, die strengsten Befehle zum Löschen gab, und auch persönlich auf mehreren Brandstellen erschien. Da er aber erfuhr, daß die vorhandenen Sprützen abgeführet waren, und mehrere Stadttheile zu gleicher Zeit zu brennen anfingen, gab er das vergebliche Bemühen, dem Feuer Einhalt zu thun auf. Nur auf diese Weise war es möglich daß 4/5 oder 5/6 Theile einer so weitläuftigen Stadt wie Moskau es war vom Montage bis Sonnabend – in fünf Tagen abbrennen konnte. Unser gute Comissair, wählte sich am andern Morgen in dem einem grade überstehenden Hause, welches dem Obristen Tolbuchin gehörte, eine Wohnung, und blieb noch mehrere Wochen, unser Freund und Wohltäther. Ich bedaure es schmerzlich, seinen Namen vergessen zu haben, welches aber daher kam, daß wir ihn, von dem Augenblick an, da er sich uns als Landsmann zu erkennen gab, nur immer Herr Obercomissair, und nicht bey seinen Namen nannten. Wie die im Demidowschen Hause einquartierten Obristen am Mitwoch Morgen erwachten, ging mein Laufen und Rennen wieder an, doch hatte ich großen Beystand von Hr. u. Mad. Cz. die mir willig abnahmen, was sie verrichten konnten. Besonders kam die Sprachkunde der Mad. Czermack uns sehr zu statten, welche dolmetschen u. übersetzen konnte, wo meine wenigen Kenntnisse der französischen Sprache nicht ausreichen konnte. Mitwoch Vormittag foderten mich zwey Obristen auf, ihnen den nächsten Weg nach dem Kreml zu zeigen. Ich gehorchte und führte sie durch die sogenannte Nikolsky Worota. Als wir bey Gastinnoi Dwor, oder den Buden, ankamen, erblickte ich eines, gewiß in seiner Art, einziges Schauspiel. Tausende von Soldaten aller Waffengattung, und fast eben so viele gemeine Leute in russischer Tracht, waren bemühet, die geöffneten Buden auszuleeren, und die noch Verschlossenen, in eben der Absicht zu erbrechen. Alles ging dabey so friedlich und freundschaftlich zu, obwohl sich die beyden Nationen nicht besprechen konnten. Jeder nahm, was ihm gefiel, keiner hinderte den Andern, da genug für Alle vorhanden war. Nur sah man oft, von einem, einen früher gesammelten Bündel Waaren auf die Erde hinwerfen, sobald er in einer andern Bude etwas fand, was ihm mehr gefiel, oder er besser zu gebrauchen meynte. Das Hingeworfene, ward sogleich von Andern aufgenommen, davon getragen, oder später mit etwas besserm verwechselt. Der ganze Anblick glich einem Gabelfrühstücke, bey welchem jeder der eingeladenen Gäste, sich das wählet was seinem Gaumen am meisten behaget. In den geöffneten Buden, wo sonst eingemachte Früchte verkauft wurden, griffen die Plünderer mit schmutzigen Händen, ohne Ekel, der Reihe nach hinein, und ob ich wohl nahe an zwey Stunden herum ging, hörte ich keinen Wortwechsel, vielweniger Zank. Nur einmal sah ich, daß ein französischer Soldat, einem Russen ein Stück Tuch wegnahm, welches er nur mit großer Anstrengung vermochte, weil der Bauer es nicht lassen wollte. Als aber dennoch der Soldat das Tuch in seine Gewalt bekam, lief ihm der Bauer nach, und machte Versuche, es ihm wieder zu entreissen. Da warf ihm der Soldat einen Sack von etwa 3/4tel Arschin in die Länge, und etwas weniger breit zu, und eilte davon. Der Bauer öffnete den Sack, blickte hinein, und fing ein so gräßliches Geschrey an, von dem man nicht wußte, ob es Freude, oder Jammer bedeuten sollte, wodurch er die Augen der Umherstehenden, auf sich zog. Der Bauer schrie immer lauter, und fing endlich so schnell als möglich zu laufen an, den Sack mit beyden Händen an die Brust drückend, bis ich ihn aus dem Gesichte verlor, obgleich ich ihn aus der Ferne noch hören konnte. Vermuthlich war der Sack mit Banknoten gefüllt, deren Werth der Soldat nicht kannte, der Bauer aber auf den ersten Blick zu schätzen wußte, und daher seine sich durch Lachen und Weinen geäusserte Freude über diesen unerwarteten großen Fund. Auch der Obrist Couteil nahm einem mit Safianstiefel beladenen Soldaten ein paar Grünfarbige ab, welche dieser ihm willig überließ, und als er bald darauf einem Andern, mit Zobelfellen sah, bat er sich Eines aus, welches er zerschneiden, und als äussere Verbräm an den obern Rand der Stiefeln heften lassen wollte, weil er – wie er scherzend sagte – im kalten Rußland wäre. Sobald die Obristen in den Kreml gingen, besuchte ich das Schillingsche Haus, wo ich lange klopfen mußte, bis ich eingelassen ward. Ich fand den zurückgelassenen Comptoirdiener Settelmeyer wohlgemuth, weil noch kein Franzose ins Haus gekommen, und niemand ihn beunruhiget hatte. Eigentliche Plünderung, wie sie nachher befohlen, und 17 Tage mit aller Oeffentlichkeit gedauert hatte, fand damals im Allgemeinen noch nicht statt. Alle Excesse geschahen nur, wenn sich eben eine gute Gelegenheit dazu fand, und sie entweder heimlich verübet, oder bey Nacht vollbracht werden konnten, und so kam ich auch an diesem Tage glücklich nach Hause. Am Abend kamen die Obristen, und sagten uns, Napoleon habe kurz vor ihrer Entfernung aus dem Kreml, die Stadt verlassen, und sich nach Petrowsky begeben, weil er erfahren habe, daß in dieser Nacht, der bereits unterminirte Kreml in die Luft gesprengt werden sollte. Sie riethen uns, in ihrer Begleitung gleichfalls nach Petrowsky aufzubrechen; welches ich aber aus folgendem Grunde zu thun verweigerte. Erstens, weil ich – dem Schutze Gottes vertrauend – meine Wohnung nicht eher verlassen wollte, bis es die höchste Nothwendigkeit durchaus gebieten würde. Dann hielt ich uns – nehmlich Hr. Cz. Familie, und alle die bey mir eingekehrt waren, mit den Kindern, im freyen Felde bey Petrowsky – denn auf eine Wohnung war dort nicht zu rechnen – weniger sicher wie in der Stadt; und endlich, war es leichter, mein Haus zu verlassen, als wieder dahin zurückkehren zu können. Als aber der Obrist Couteill sah, daß mein Entschluß fest stand, so ließ er die übrigen drey Obristen (seine Kameraden) nach Petrowsky abziehen, und blieb allein bey uns, um uns zu schützen, und befielt mehrere Diener, Soldaten, und einen großen angespannten Proviantwagen zurück, um im Falle der Noth, die Kinder und Personen, die nicht gehen konnten, nach Petrowsky führen zu können. Die ganze Nacht brachten wir auf dem Hofe zu, und hatten genug zu thun, die fliegenden Feuermassen, sogleich zu löschen, die immerwährend auf unsere Dächer, und andere zündbare Dinge niederfielen, da grade einer der nächsten Stadttheile an der Schmiedebrücke, in dieser Nacht abbrante. Am andern Morgen zog Napoleon wieder in die Stadt, weil sich das Gerücht von unterminirung des Kremls nicht bestätigte, und eine deßfallsige Untersuchung bewies, daß keine Gefahr dieser Art vorhanden war. Das Feuer wüthete Tag und Nacht fort, und wie ich eben sagte „Es brannte planmäßig[“], nehmlich so daß in jeder Nacht (trotz der nunmehrigen Wachsamkeit der französischen Behörde) irgend ein Stadttheil in Asche gelegt ward; abgerechnet, wozu der immerwährende Wind seinerseits that, das Feuer weiter zu verbreiten, ohne das es einer besondern Ansteckung bedurfte.

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